Reihe: Interview mit Verlagen für Fantasy und Phantastik
— heute im Gespräch: der Wurdack Verlag
Das Interview wurde geführt mit Ernst Wurdack (Verleger)
1. Stellen Sie Ihren Verlag doch kurz vor. Was charakterisiert das Phantastik-Programm Ihres Verlags?
Gegründet habe ich den Verlag 2004, Bücher mache ich aber schon seit 1999. Anfangs sind wir mit Anthologien in den verschiedensten Sparten gestartet (Märchen, Fantasy, Phantastik SF), aber im Lauf der Zeit hat sich der Schwerpunkt hin zu Romanen verschoben. Als kleiner Verlag kann man nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen, sondern man muss sich, wenn man nicht untergehen will, auf seine Stärken konzentrieren. In meinem Fall sind das Science Fiction und Phantastische Literatur.
2. Welche Phantastik-Bücher aus Ihrem Programm bezeichnen Sie als besonders erfolgreich und warum?
Zum einen die Neuauflage der Mark Brandis Reihe, die bereits vor vielen Jahrzehnten gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen hat, die heute noch oder wieder relevant sind, und die sehr viele Fans in allen Altersgruppen hat, weil es sich um waschechte Abenteuerliteratur handelt.
Man kann sagen, dass die Mark Brandis Reihe die tragende Säule meines Verlages ist.
Zum anderen VILM von Karsten Kruschel, der für die ersten beiden Bände von VILM und darüber hinaus für Galdäa, einen Roman, der ebenfalls im VILM-Universum spielt, jeweils mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet wurde. Dass ein Autor in Folge mehrfach mit dem DSFP ausgezeichnet wird, ist extrem selten. Der Erste Band von VILM hat inzwischen eine Auflage erreicht, die sich mit SF-Auflagen größerer Verlage durchaus messen kann. Und darüber freut man sich als Kleinverleger natürlich sehr.
3. Gibt es Phantastik-Bücher von Ihrem Verlag, die weniger bekannt sind, die Sie aber an dieser Stelle besonders erwähnen möchten („Geheimtipps“)?
Ich liebe klassische Phantastische Literatur, und hier ist es vor allem die Reihe um den Gentleman-Gangster Doctor Nikola, die von Michael Böhnhardt neu übersetzt wurde, und die wir in einer schön gestalteten Sammlerauflage in Klappenbroschur herausbringen. Wenn jemand authentische phantastische Abenteuerromane um 1900 lesen möchte, die sehr flott geschrieben sind und entsprechend den Gepflogenheiten der damaligen Zeit natürlich immer eine dezente Liebesgeschichte enthalten müssen (!), der sollte hier einfach mal reinschnuppern.
4. Phantastik-Bücher mit welchen Inhalten würden Sie noch gerne verlegen? In welche Richtung möchten Sie Ihr Phantastik-Programm einmal ausweiten? Zu welchen Themen wünschen Sie mehr Manuskripte?
Auf Inhalte möchte ich mich nicht pauschal festlegen. Ich gehe neugierig an jedes Manuskript heran, egal von welchem Autor es kommt – bekannt oder unbekannt –, und wenn mich die Idee und das Thema überzeugen, dann verlege ich den Roman auch. Falls mich ein Manuskript fasziniert, ich aber von vorneherein weiß, dass ich damit nur eine bestimmte Art und Anzahl von Lesern erreichen kann, dann mache ich diese Buch trotzdem. Um Mainstreamtauglichkeit kümmere ich mich nicht. Es gibt einfach Manuskripte, die müssen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden.
Was ich definitiv nicht verlege ist High-Fantasy, Romance, Cyberpunk, Steampunk, Near Future, Thriller mit SF-Anklängen, Jugendliteratur oder Erotik.
5. Was ist Ihnen bei Phantastik-Büchern besonders wichtig? Wie sollen diese Manuskripte sein, die Autoren bei Ihnen einreichen (Inhalt, Stil, Erzählweise)?
Die erste Leseprobe, die ich bekomme, muss sich flott lesen und mich sofort in die Handlung hineinziehen. Meist brauche ich nicht einmal drei Seiten, um mir eine Meinung zu bilden, um zu erkennen, ob ein Autor schreiben kann und sich die Mühe lohnt, Autor und Lektor zusammenzubringen, damit aus dem Manuskript ein lesbarer Roman wird.
Ich hasse Adjektive – wenn in jedem zweiten Satz welche auftauchen. Und ich bin der Meinung, ein Autor, der mehr als 200-300 Seiten braucht, um seine Geschichte zu erzählen, hat seinen Stoff nicht im Griff. Es gibt da ganz wenige Ausnahmen, das meiste aber ist belangloses Geschwafel, das die Leser überblättern. Einen 600 Seiten dicken Roman fasse ich auch als Leser nicht an, denn das ist vergeudete Lebens- und Lesezeit.
6. Der Vampirtrend hält die Fantasywelt noch immer in Atem. Glauben Sie, die Welt der Phantastik braucht bald neue Fantasywesen? Wenn ja, welche wären Ihre Favoriten?
Vampire? Ich bringe nichts mehr mit Vampiren. Zwar habe ich noch eine bezahlte Lizenz eines englischsprachigen Titels, aber ich werde den Roman trotzdem nicht mehr verlegen, weil sich Vampire bei mir nicht besonders verkaufen. Überrascht?
Ständig auf einen neuen Trend zu warten, überlasse ich inzwischen gerne anderen. Ich brauche keine Orks und Elfen, Softvampire, Engel oder Zombies. Meine Leser sind Menschen, die ungewöhnliche Literatur abseits des Mainstreams erwarten. Und genau das ist es, was ich künftig verstärkt verlegen möchte.
7. Wie wird das Phantastik-Genre im Jahr 2050 sein? Bitte lassen Sie Ihrer Fantasie kurz freien Lauf!
Oh Gott! Ich kann nicht einmal sagen, wie sich das Phantastik-Genre bis in 5 Jahren entwickeln wird, ob es einen Einbruch gibt oder wohin die Reise im Buchmarkt geht. Im Jahr 2050 bin ich, wenn alles gut läuft, 91 Jahre alt. Ob ich da noch verlegerisch tätig bin? Wohl kaum.
Danke für das Interview und noch viel Erfolg mit Ihrem Phantastik-Programm!
Das Interview führte Annira Falter, Autorin von „Astarian„.