Der Autor Hendryk C. Hollbeck hat einen Blogbeitrag zum Thema „Kampf den falsches Rezis“ geschrieben. Es geht um die Rezis bei Amazon. Im Folgenden mein Statement zum Thema Rezensionen, Werbung, Gefälligkeit und ähnlichen Themen bei Indie- und Verlagsautoren.
Ehrlich Rezensieren – ja
Wenn die eigene Meinung über das Buch eines Kollegen oder Freundes extrem von der wahren Meinung abweicht, sollte man schweigen und keine Rezension schreiben.
Rezensionen unter Freunden/Kollegen kennzeichnen oder verbieten: nein
Wem das Buch des Kollegen/des Freundes dagegen wirklich gefällt, der sollte das auch so sagen dürfen – als Leser! Und sich nicht damit rechtfertigen müssen, dass er der Kollege, der Freund, der Beschenkte etc. ist. Ja, es gibt diese Fälle (und keineswegs selten), wo Gefälligkeit und ehrliche Meinung zusammenfallen.
Extrem verschiedene Geschmäcker und Lesekompetenz
Die Geschmäcker sind manchmal extrem und erschreckend verschieden. Das erlebe ich immer wieder, auch bei einigen Büchern großer Verlage, die mich zu Tode langweilen – natürlich auch bei Werken unbekannter Autoren. Aber hey, andere scheinen total begeistert davon zu sein. Auch die Schreib- und Lesekompetenz der Leser variiert: Was mir als stilsensible Autorin ein Dorn im Auge ist, das störte manche 11-jähigen Leser (und auch manche Erwachsene) anscheinend wirklich nicht.
Gefälligkeitsrezensionen – erst ab hier wird’s kritisch
Meiner Meinung nach sind Amazon-Rezensionen von Freunden erst dort kritisch, wo
a) massive Unterschiede zwischen wahrer Meinung und Rezension bestehen
b) eine Rezension dem Buch Stärken zuspricht, die es aufgrund seines Inhalts gar nicht haben kann; ob es sich hierbei um einen Freund, einen Journalisten, ein namhaftes Magazin etc. handelt, ist dabei unerheblich
Und für Fall b möchte ich mal ein Beispiel nennen – alter Hut, was zu dem Epos „Shannara II“ von Terry Brooks, das ich vor vielen Jahren mal gelesen habe:
Zitat von Amazon (bzw. vom Buchrücken):
„Wenn Harry Potter Ihren Appetit auf Fantasy geweckt hat und Sie die Magie von Terry Brooks noch nicht entdeckt haben, steht Ihnen ein Leckerbissen bevor!“ (Rocky Mountain News)
Meine Meinung dazu: „Shannara II“ ist von Harry Potter ungefähr so weit entfernt wie die Sonne vom Mond. Hier werden falsche Assoziationen geweckt. „Steht in Tradition von Herr der Ringe“ würde es viel besser treffen.
Netzwerke nutzen auch etablierte Autoren und Verlage
Wer glaubt, Gefälligkeit ist ein besonderes Phänomen der Indie-Szene, der irrt sich gewaltig.
Unter Verlagsautoren beobachte ich auch Kollegenwerbung. Nicht direkte Rezensionen, allerdings Werbesprüche/Rezensionsslogans fürs Buch eines Kollegen, was letztlich auch einer Empfehlung gleichkommt.
Habe ich persönlich was dagegen? – Nein, so lange man die Werke/Angebote vom Kollegen wirklich gut findet. Viele Autoren brauchen die Unterstützung anderer.
Gefälligkeiten unter Indie-Autoren geraten häufiger (und ab gewissen Übertreibungen) zu Recht in Kritik. Über eventuelle Tricks und Gefälligkeiten der etablierten Autoren und Verlage redet aber kaum jemand. Mehr noch: Sie fallen gar nicht negativ als solche auf. Berühmte haben einen Namen sie „dürfen“ vieles, was Newcomer nicht dürfen – allgemeines soziales Gesetz, in diversen Gesellschaftsbereichen.
Um mal wieder aus der altbekannten Glosse von Klaus Britting zu zitieren (und dieser Mann kennt das Geschäft, ich hatte sogar mal mit ihm gesprochen):
„Was Sie nicht wissen können: es gibt ein ziemlich starkes Netzwerk zwischen bestimmten ‚bedeutenden‘ Verlagen und den wichtigeren Medien. Schließlich haben es die PR-Damen Jahrzehnte lang gestrickt. Und da wollen Sie mit Ihrem unbekannten Namen plötzlich einbrechen? Nein, dort wird Ihr Buch nie besprochen werden.“
http://www.haus-der-literatur.com/ratgeber/ratgeber_verlagssuche.htm
(Nein, ich will keine Werbung für diese Verlagsgruppe machen. Ich distanziere mich ausdrücklich von den Inhalten dieser Seite.)
Übertriebene Werbung bei Verlagsbüchern
Auf Verlagsbüchern finde ich öfter Werbung/Werbezitate der ultimativen Superlative. Da wird auf dem langweiligen Wälzer schon mal etwas wie „Spannung pur“ versprochen. Es wird nicht immer das hervorgehoben, was aus meiner Sicht gut zum Buch passt. Na, wie fair das ist?? Ob Indie-Buch oder Verlagsbuch, die Schlagworte zum Buch sollten passen! Manchmal kommen auch Zitate von Autorenkollegen. Da habe ich mich auch schon mal gefragt, ob dieser Kollege das Buch denn gelesen hat.
Buchwerbung von Gefälligkeit bis bezahlt
Die „Gefälligkeit“ ist nur ein Weg zur „Schönfärbung“. Daneben gibt es noch den klassischen Weg mit den großen Werbebudgets: Mit Tausenden von Euros erreicht der Großverlag oft mehr als der Indie-Autor mit ein paar Gefälligkeitsrezensionen. Und Werbung wirkt – sonst würde man sie nicht machen.
Also immer bedenken: Auch große Verlage wollen verkaufen – und dazu bedient man sich diverser Werbemittel, die manches Buch schöner darstellen, als es ist. Dazu kommen Netzwerke. Auch die Rezensionen in Zeitungen o. ä. sind vermutich nicht immer authentisch.
Es gibt zudem Magazine/Portale (etc.?), die geben Buchrezensionen bei Agenturen mit Billigtextern in Auftrag. Zahlreiche Werke bekannter und auch „mittelbekannter“ Autoren erhalten so gefakte Rezensionen, Werke diverser Verlage. Diese Leute haben nix gelesen, sondern kopieren nur aus anderen Rezensionen was zusammen.
Unbekannte Autoren haben es schwer
Auch ein „gutes Buch“ verkauft sich nicht von selbst. Dasselbe gilt auch für unbekannte Firmen und unbekannte Produkte generell. Die Aussage „Ein Buch verkaufe sich nicht, weil es schlecht ist“, ist ebenso nicht immer korrekt wie die Aussage „Ein Buch verkaufe sich, weil es gut ist“.
Nun befinden sich neue Autoren oft in einem Teufelskreis: Wenn bei einem Ebook keine einzige Rezension bei Amazon steht, macht das einen negativen Eindruck auf potenzielle Kunden – denen das Buch tatsächlich gefallen könnte. Man möchte schon ein paar Meinungen anderer wissen. Aber wie soll dieser unbekannte Autor konkret bei unbekannten Amazon-Kunden Vertrauen finden? Also schreiben einige Autoren diejenigen Freunde und Bekannten an, denen das Buch ohnehin bereits gefällt (das heißt nicht, dass sie alle ihre Freunde anschreiben). Das tun keineswegs nur Indie-Autoren, das ist auch in der Kleinverlagsszene verbreitet. Wenn die berühmten Autoren es nicht tun, dann schlicht und einfach deshalb, weil sie es nicht nötig haben. Würde man sie aber in das Leben eines unbekannten Indie-Autors katapultieren, sähe es sicher anders aus. Handfestes „Ich lobe dich in den Himmel, du lobst mich in den Himmel, egal wie schlecht das Buch ist“ findet natürlich nicht jeder vertretbar“. Aber wenn jemand aufrichtig eine positive Rezension schreibt, finde ich das in Ordnung, egal, wie eng oder locker die Freundschaft ist.
Zum Umgang mit Rezensionen – und das sei allen Lesern ans Herz gelegt:
1. Ihr habt die Chance, auch Klappentext und Leseprobe genau zu lesen, also nutzt diese Chance.
2. Schaut genau, was die Rezensionen sagen: Wenn die Rezis „Gefühl“ betonen, dann wundert euch nicht, wenn das Buch wenig Action bietet und umgekehrt.
3. Wenn euch der Klappentext überhaupt nicht anspricht, ist das kein Buch für euch. Egal, ob da hundert 5-Sterne-Rezensionen stehen. Es liegt auch an den Leser, eine gewisse Kompetenz im Umgang mit Rezensionen zu lernen.
Ich zitiere hier mal ein paar Beispiele von Amazon zu Diana Gabaldons „Feuer und Stein“., das ich früher mal entdeckt habe und mir in Erinnerung blieb (und hier geht es um Fehlkauf bei ehrlichen (!) Rezensionen):
„Ich bin sehr enttäuscht über diesen Roman. Leider habe ich mich von den vielen Sternen blenden lassen, vielleicht gehöre ich (m23) nicht in die Zielgruppe von Frau Gabaldon. […]„Männern kann ich nur abraten sich dieses Buch anzutun. Gelangweilten Frauen, die auf flache Lovestories stehn und bei sowas dahinschmelzen wünsche ich viel Vergnügen.“ (K. Tobias)
Hier hab eben der total falsche Leser zugegriffen, wohl frei nach dem Motto „Die Sterne sind alles“, Klappentext und Leseprobe nicht angeschaut.
Die oben genannten Regeln gelten natürlich auch für die Rezensionen zu meinem eigenen Fantasybuch. Alles ehrliche Rezensionen, wenngleich ich empfehle, den Kauf auf Basis von Klappentext und Leseprobe zu entscheiden. Auf 1-Sterne-Rezensionen, die eine Folge von Fehlkäufen und falschen Erwartungen sind, kann ich gut verzichten.
Kleine Berichtigung: Ich persönlich werte zwar E-Mail-Kommunikation nicht als eine geringere Kommunikationsart als andere Kommunikationsarten (dasselbe gilt für Online-Interviews), aber offenbar ist Herr Britting da etwas anderer Meinung. Ich habe Herrn Britting nicht persönlich gesprochen, sondern „nur“ E-Mails mit ihm ausgetauscht.